Vor einiger Zeit habe ich in meinem Beitrag „Zeit“ darüber geschrieben, wie sich unser Zeitgefühl im Laufe der Jahre verändert hat.
Unser Leben ist stets in Bewegung und immer schnell. Wie oft hört man Menschen sagen, dass die Zeit so schnell vergeht. Früher wäre das nicht so gewesen.
Die Welt steht still
Im März diesen Jahres wurde dann die Bremse gezogen und die Welt stand für eine gewisse Zeit still. Durch das kursierende COVID-19 Virus wurde eine weltweite Reisewarnung ausgesprochen, sämtliche Flugverbindungen wurden gestrichen und die Flugzeuge standen am Boden, Geschäfte wurden geschlossen, Bar- und Restaurantbetriebe wurden eingestellt. Die Welt stand gefühlt einfach still.
Wenn man mir vor einem Jahr erzählt hätte, dass es jemals zu solch einer Situation kommt, hätte ich es nicht geglaubt. In einer Welt, in der alles so schnelllebig ist, die Menschen nur für einen Wochenendtrip mal eben wegfliegen, in dieser Welt soll plötzlich „nichts“ mehr gehen? Und doch genau dazu ist es gekommen.
Von heute auf morgen wurden sämtliche Geschäfte und Büros geschlossen, Homeoffice Arbeitsplätze wurden neu erschaffen. Wie ich mit dem Homeoffice umgehe, habe ich bereits in diesem Beitrag berichtet.
Nun mehr als sechs Monate später ist unser Reisebüro zwar wieder eingeschränkt geöffnet, die Normalität ist aber noch lange nicht zurück. So arbeite ich noch immer teilweise im Homeoffice und das auch mit einer stark reduzierten Stundenanzahl. Ein Fluch und Segen zugleich.
Neugewonnene Zeit
Durch die neu gewonnene Zeit ergeben sich plötzlich so viele Möglichkeiten, was man doch alles machen könnte. Mehr Sport machen, eine neue Sprache lernen, ein neues Hobby suchen, und und und. Klingt gut, oder? Aber nutzt man diese Zeit wirklich so sinnvoll, wie man es könnte?
Bei mir ist definitiv noch Luft nach oben, auch wenn ich schon einiges neues probiert habe.
An den Tagen, an denen ich im Büro arbeite, fahre ich regelmäßig mit dem Fahrrad über Feldwege nach Hause. Auf den knapp 24km kann ich gut abschalten, habe eine sportliche Betätigung und bin an der frischen Luft.
Auch habe ich das Malen für mich entdeckt. Nachdem ich im Januar noch an einer Offline Artnight teilgenommen habe, habe ich dann während des Lockdowns angefangen die Online Tutorials mitzumachen. Inzwischen male ich auch einfach, ohne Schritt für Schritt Anleitung, von einem Bild ab. Mein nächstes Ziel wird es hier sein, meine eigenen Bilder zu kreieren.
Geburtstags- und Grußkarten gestalte ich inzwischen schon nach Sketchtnote Art selber.
Anfangs dachte ich, dass ich in der freien Zeit noch mehr lesen werde, als bisher. Das ist aber, so wie ich finde, recht konstant geblieben.
Was hat sich geändert?
Was sich jedoch bei mir – gezwungenermaßen – verändert hat, ist mein Reiseverhalten. Die geplante Hochzeitsreise im Juni nach Irland mussten wir absagen. Stattdessen haben wir Tagesausflüge gemacht und renoviert. Das wäre bisher für mich unvorstellbar gewesen. Drei Wochen Urlaub und nicht wegfahren?!
Unser nächster Urlaub wird eine Radtour innerhalb Deutschlands sein und, wenn alles läuft wie geplant, werden wir Weihnachten und den Jahreswechsel irgendwo in Deutschland in einer Ferienwohnung verbringen.
Entgegen unserer eigentlichen Einstellung vorwiegend die Öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, haben wir in diesem Jahr doch vermehrt auf das Auto zurück gegriffen und die öffentlichen Verkehrsmittel weitestgehend vermieden.
Wie ist es bei euch? Seid ihr noch in Kurzarbeit und wie nutzt ihr die neu gewonnene Zeit? Hat sich an eurem Freizeit- und Reiseverhalten etwas geändert?
Ich mag diese sich selbst reflektierenden Betrachtungen. Sie führen einen zwangsläufig zu Fragen aus denen Neues entstehen kann.
Für mich als Teilzeitrentner hat sich durch Corona nicht viel geändert. Zumindest von außen betrachtet. Mein Reiseverhalten hat sich schon vor Corona deutlich verändert zu Gunsten unserer Heimat näher liegende Regionen, die nicht im Focus des Mainstreams liegen. Auslöser dafür war vor allem die ungesunde Massentourismusindustrie, die die Umwelt verschmuzt (z.B. Kreuzfahrtschiffe), den Einheimischen durch zu viele Besucher die Heimat raubt, und den Touristen für viel Unsinniges und schlechte Qualität viel Geld aus der Tasche zieht.
Sicher gibt es durch Corona einige Veränderungen. So zum Beispiel, dass ich sehr viel bewusster die Zeiten, in denen ich einkaufen gehe, wähle , dass ich Menschenansammlungen von Menschen meide, dass ich natürlich, wie die allermeisten, eine Maske trage, wenn ich die Abstandsregeln nicht mehr einhalten kann.
Die viel größeren Veränderungen, die ich bei mir feststelle, betreffen meine Einstellung, meinen Respekt und die Achtsamkeit gegenüber anderen Menschen.
Da gibt es Menschen, die sind sehr ängstlich. Andere wiederum haben Vorerkrankungen (von denen ich nichts weiß) und gehören dadurch, wie z.B. ältere Menschen zu den „Risikogruppen“ (welch unschön diskriminierendes Wort).
Das habe ich zu respektieren, darauf habe ich zu achten . Das ist die größte Lehre die ich aus dieser Coronakrise für mich gezogen habe. Nicht meine Risikopräferenz bzw -einschätzung ist entscheidend, sondern ich habe die Risikoeinschätzung meiner Gegenüber zu respektieren und zu achten. Und daran habe ich mein Verhalten ihnen gegenüber zu orientieren.
Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen diese Erkenntnis für sich verinnerlicht hätten.
Und ganz nebenbei stelle ich fest: es braucht viel weniger „materielles“ als wir Glauben, um glücklich zu sein.
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