Schließen sich Minimalismus und Reisen gegenseitig aus? Bei diesem Thema gehen die Meinungen wohl auseinander.
Minimalismus verbinde ich, und die meisten von euch vermutlich auch, mit wenig Besitz und nachhaltigen Leben. Der Ansatz des wenigen Besitzes ist wohl eher ein Argument für das Reisen. Keine langen Überlegungen welche Kleidung mit auf Reisen kommt oder welche Bücher eingepackt werden sollen. Das Reisen wird dadurch soviel einfacher.

Der zweite Ansatz – nachhaltiges Leben – macht das Reisen schon deutlich schwieriger und das Thema ist sehr komplex. Ich habe hierzu die Reihe „Nachhaltigkeit im Tourismus“  gestartet.

Das Reisen hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Während vor vielen Jahren das Reisen noch ein großes Privileg war und in den meisten Fällen nur der Oberschicht gegönnt war, ist Reisen heute für viele etwas, das zum Leben dazu gehört wie das regelmäßige Essen. Nicht nur die Gründe für das Reisen haben sich geändert, sondern auch die Art. Das Streckennetz der Bahn hat sich ausgeweitet. Man kommt nahezu überall in Europa mit der Bahn hin und auch das Streckennetz der Fluggesellschaften ist gewachsen. Täglich starten und landen mehrere Tausend Flüge, die Urlaubs- und Geschäftsreisende von A nach B befördern. Das Reisen ist einfacher geworden und für jeden erschwinglich. Das ist allerdings alles andere als nachhaltig.
Durch meine Arbeit sehe ich immer wieder wie unschlagbar günstig einige Flüge angeboten werden und die Bahn im Gegenzug ein vielfaches kostet. 10 EUR für einen Flug von Stuttgart nach Verona ist nur ein Beispiel. Eine Reise mit der Bahn wäre in diesem Fall nicht nur deutlich teurer, sondern auch länger. Unter diesen Aspekten fällt es schwer die Argumente für die Bahn zu verkaufen, die deutlich nachhaltigere Variante.
Das Leben ist schnelllebiger geworden und der Zeitfaktor ist für viele Reisende, neben dem Kostenfaktor, ein wichtiges Entscheidungskriterium.
Die Möglichkeiten des Reisens sind vielfältig geworden und in einer gewissen Art und Weise ist das Reisen eine Art von Prestige. Um so weiter die Reise geht, desto toller ist die Reise – so der Anschein. Das ist natürlich ein Trugschluss.
Man muss nicht in die Ferne reisen, um wunderbare Orte zu entdecken. Das Schöne ist oft so nah.
Es geht also auch anders. Nachhaltiges Reisen ist durchaus möglich und gar nicht schwer.
Privat vermeide ich das Fliegen fast vollständig. Ich bevorzuge für meine Reisen die Bahn. Nicht nur, dass es nachhaltiger ist, ich finde die Reise mit der Bahn auch entspannter. Für mich beginnt der Urlaub dann schon bereits mit der Bahnfahrt. Ich kann aus dem Fenster schauen und die Landschaft vorüberziehen sehen oder ich lese ein Buch.

Seit einigen Jahren mache ich einmal im Jahr einen Fahrradurlaub. Ich hätte anfangs nie gedacht, dass ich diese Art zu reisen mag. Inzwischen möchte ich den Urlaub nicht mehr missen. Man erlebt die Reise viel intensiver, achtet mehr auf die Natur und nimmt ganz andere Dinge wahr. Diese Art von Reisen ist wohl auch unter dem Begriff „Slowtravel“ bekannt.

Die Wahl meiner Unterkünfte hat sich in den letzten Jahren ebenfalls geändert. Bei den Fahrradtouren greifen wir gern auf Privatunterkünfte, familiengeführte Pensionen oder Bed & Breakfast zurück. Man kommt mit den Gastgebern ins Gespräch und erfährt noch den Ein oder Anderen Insider-Tipp. Ein gutes Restaurant, in dem auch die Einheimischen speisen oder ein Aussichtspunkt, der nicht im Reiseführer aufgeführt ist.
Meine Erfahrungen aus meinen privaten und auch dienstlichen Reisen, aber auch durch Kundengespräche, zeigen, dass auch die Anbieter, wie Reiseveranstalter, Hotels, Reedereien, Airlines immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit legen. So findet man in Hotels zum Beispiel immer öfter auffüllbare Seifenspender in den Zimmern oder bei den Mahlzeiten Marmeladegläser anstelle von den kleinen Marmeladenpäckchen. Reiseveranstalter unterstützen immer häufiger lokale Projekte und Hilfsorganisationen, stellen Trinkflaschen auf ihren Rundreisen zur Verfügung anstelle von Einwegflaschen und Airlines leisten oftmals einen CO2 Ausgleich. Natürlich sind das alles nur Kleinigkeiten, aber es ist ein Anfang.
All diese Aspekte zeigen mir, dass Minimalismus und Reisen sich nicht gegenseitig ausschließen müssen, sondern sich auch ergänzen können.
Wie denkt ihr über das Thema? Schließen sich Minimalismus und Reisen gegenseitig aus?