Einen geliebten Menschen zu verlieren, ist für jeden schlimm. Es ist egal, ob es sich um die Großeltern, Eltern, Freunde oder das eigene Kind handelt – die Trauer, die man empfindet ist nicht in Worte zu fassen. Und Aussagen wie „Zeit heilt alle Wunden“ ist das Letzte was man in solch einer Situation hören möchte.
Der folgende Text war am Weltgedenktag für gestorbene Kinder in dem „etwas anderen Adventskalender“. Ich finde er beschreibt sehr gut das Gefühl, wie es ist, ein Kind zu verlieren, zeigt aber auch gleichzeitig, dass man nach vorne blicken muss und das Leben trotzdem und mit dem immer anhaltenden Schmerz weitergeht.
„Lieben ohne Angst“
„Wir werden immer traurig sein, IMMER! Aber bitte: Lass uns nicht immer immer immer unglücklich sein. Das dürfen wir nicht.“ Das habe ich zu meinem Mann gesagt, ich glaube, ungefähr zwei Stunden nachdem unser kleiner Sohn gestorben ist. In dem Moment an Glück denken. Diese Angst, nie wieder glücklich sein zu können, weil man sich fühlt wie noch niemals zuvor in seinem Leben.
Am selben Tag, etwa zwölf Stunden später. Es war so heiß. So drückend und still. Weltstillstand. Plötzlich kommt Wind auf. Nein – Sturm! Von einer Sekunde zur nächsten blitzt und donnert es. Kein Gewitter der normalen Sorte, sondern eins, bei dem die Blitze so hell und die Donner so laut sind, dass man normalerweise ins Haus flieht und Türen und Fenster verschließt. Ich brachte gerade die Mülltonne an die Straße und mein Mann machte den Hühnerstall zu, (Ja, so was macht man auch an so einem Tag…) Wir trafen uns in der Mitte des Gartens und mussten lachen. „Er ist angekommen“, sagten wir gleichzeitig. Und da war ein Fünkchen, ein minikurzes Glimmen von Glück. Sofort wieder weg, abgelöst von tiefstem Unglück, aber spürbar.
Sechs Wochen später. Ich sitze in den Hügeln der Toskana. Zufällig (komplett überstürzte airbnb-Panung, nach chaotischer Reisevorbereitung ohne großes Nachdenken…) in dem einsamsten Teil der Toskana. Was für ein Glück, diesen Ort gefunden zu haben, der gerade so gut zu uns passt. Am Abend regnet es Sternschnuppen. Wir reisen mit unserem kleinen Sohn, den wir hier genauso spüren wie zuhause. Das Wissen, dass er uns für immer überallhin begleiten wird, tut weh, beruhigt aber auch. Man sieht unserer Familie das Unglück nicht an. Glücklich sind wir noch nicht. Aber immer wieder mal. Wenn die Kinder und wir lachen und rumalbern. Wenn es gewittert. Oder ein Wind kommt, wo man ihn nicht erwartet hätte. Wenn nach dem Satz „Ich glaube, wie sollten mal ins Bett gehen….“ eine riesige Sternschnuppe „Gute Nacht“ sagt. Kleine Glücksmomente. Manchmal fühle ich mich um Jahrhunderte gealtert. Und ich meine nicht nur körperlich. Was soll noch passieren? Ich kenne den Glücks-Schlüssel. Wir lieben uns. Alle. Die, die leben, genauso wie die, die woanders sind. Die Liebe macht nicht halt vor irgendwelchen Elementen. Oder Körpern. Oder unterscheidet zwischen Seele hier, Seele da. Und wo LIebe ist, kann das Glück nicht verschwinden. Die Glut bleibt, egal was passiert. Man muss nur weiteratmen. Lieben. Ohne Angst. Es ist anstrengend, sie anzupusten, damit sie funkt und vielleicht irgendwann wieder brennt, aber man kann es schaffen. So ist das.
– Melanie Geranin